Tegel feiert 2022 seinen 700. Geburtstag. Damals siedelten sich einige Menschen auf zehn Bauernhöfen in Tegel an. Später baute der Hofsekretär des Kurfürsten am Tegeler See ein Herrenhaus, das die Eltern der Humboldt-Brüder 1766 erwarben. Aus dem Dorf hat sich ein Ortsteil mit 37 000 Einwohner entwickelt, der sich bis heute seinen eher kleinstädtischen Charakter bewahrt hat, auch wenn bis 2020 der Flughafen Tegel für die Berliner das Tor zur weiten Welt war. Einen Blick auf Zukunft und Vergangenheit von Tegel bietet das Heimatmuseum Reinickendorf genauso wie die Ausstellung in den Hallen am Borsigturm. Daneben laden zahlreiche Veranstaltungen (siehe unten) zum Kennenlernen des Berliner Nordens und seiner Sehenswürdigkeiten ein.
Sehen und gesehen werden an der Greenwichpromenade
Im 18. Jahrhundert entwickelt sich der Tegeler See zum Ausflugsziel für gutbetuchte Berliner. Mit der Eröffnung der Eisenbahn 1846 waren die Ufer des Tegeler Sees auch für andere Bevölkerungsgruppen gut zu erreichen. Der Bahnhof lag zwar in Spandau. Aber von dort verkehrten regelmäßig Dampfer nach Tegel und zurück. 1893 eröffnet schließlich die Kremmener Bahn und brachte Erholungssuchende direkt aus der Innenstadt nach Tegel.
Am Strand entstanden zahlreiche Ausflugs- und Tanzlokale wie das Restaurant Tusculum, die heutigen Seeterrassen. Dort wo die beiden Hochhäuser Neptun und Nixen stehen, befand sich einst das Strandschloß. In einigen Lokalen kochten Ausflügler ihren Kaffee selbst. Für 20 Pfennig gab es eine Kanne heißen Wasser zum Kaffee kochen. Dazu kamen drei Badeanstalt. Sie boten Strandfeeling mit getrennten Bereichen für Herren und Damen.
Anfang des 20. Jahrhundert ließ die Gemeinde einen Uferweg anlegen, der zum Promenieren einlud. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich die Greenwichpromenade mit ihrer Dampferanlegestelle erneut zu einem beliebten Ausflugsziel, denn nach dem Mauerbau 1961 waren Ziele in Brandenburg nicht mehr erreichbar. An die langjährige Schifffahrtstradition erinnert einmal in Jahr das Tegeler Hafenfest im Sommer. Inzwischen legen sogar Kreuzfahrtschiffe in Tegel an.
Sechserbrücke
Die markante Sechserbrücke mit ihrem roten Stahlgerüst ist ein Wahrzeichen von Tegel. Sie entstand 1907 anstelle der alten Holzkonstruktion. Davor hatte Fischer Siebert mit seinem Boot Ausflügler über das Tegeler Fließ gerudert. Als der Andrang zu groß wurde, baute er die Holzbrücke und verlangte für die Benutzung fünf Pfennig – das entsprechende Geldstücke wurde im Volk als „Sechser“ bezeichnet. Von diesem leitet sich der Name „Sechserbrücke“ ab. Auch für die Benutzung der neuen Brücke war lange Zeit ein Obolus fällig.
Humboldt-Schloss und Dicke Marie
Der Hofsekretär Hans Bretscheider erbaute an der Malche 1558 ein Herrenhaus, das der Große Kurfürst später als Jagdschloss nutzte. 1766 kauften es die Eltern der Humboldt-Brüder Alexander und Wilhelm, die im Schloss ihre Jugend verbrachten. Wilhelm übernahm das Anwesen und ließ es 1797 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel im Stil des Klassizismus umbauen. Später erfolgte die Neugestaltung des Schlossparks, in dem auch einer der ältesten Eichen Berlins, die „Dicke Marie“ zu finden ist. Das Schloss befindet sich im Besitz der Nachfahren Humboldts. Es ist nicht öffentlich zugänglich, jedoch kann der Schlosspark an der Adelheidallee 19 täglich bis zum Sonnenuntergang besucht werden (eine Spende ist erwünscht).
Rund um die Dorfkirche
Die Dorfkirche in Alt-Tegel 39 markiert das Zentrum des Ortsteils. Das Dorf wurde 1322 erstmals urkundlich erwähnt. Grabungsfunde belegen aber eine weitaus ältere Besiedlung am Tegeler See. So lebte bereits vor 9000 Jahren Jäger am Ufer des Sees. In den weit zurückliegenden Jahren wuchs das Dorf nur langsam. 1756 zählte Tegel nur 150 Einwohner – 20 Jahre später waren es jedoch bereits 600. Anfang des 19. Jahrhunderts zerstörten Napoleons Truppen die Hälfte des Dorfes. Dennoch wuchs die Einwohnerzahl stetig. 1863 wurde eine größere Schule gebaut, die jedoch innerhalb von 20 Jahren aus allen Nähten platzte. Statt 80 Kinder gab es 1889 bereits 270 Schüler. Mit der Industrialisierung erfolgte auch in Tegel der Aufschwung.
Von der Eisfabrik zur Lokomotivproduktion
1893 produzierten die „Krystall-Eiswerke“ an der Stelle der heutigen Wilkestraße 15 jährlich 300000 Tonnen Eis. Im Winter wurde das Eis aus dem Tegeler See geerntet und dann in Schuppen aufbewahrt. Der Eingang zum Eiskanal dient heute als Parkplatz für die Tret- und Ruderboote an der Sechserbtücke.
Vom Ackerland zum Einkaufstempel
1836 erwarb Jakob Anton Franz Eggells von den Tegeler Bauern Land und legte den Grundstein für eine Eisengießerei. Die Söhne erweiterten den Betrieb und stellen Dampfkessel für den Schiffsbau her. Die Germania-Werft beschäftigte 1878 etwa 800 Mitarbeiter.
1894 verlegen die Borsigbrüder ihre Fabrik von Moabit nach Tegel. Sie bauen auf dem 14 Hektar großen Areal zwischen Berliner Straße und Tegeler See die damals modernste Fabrikanlage Europas. 1898 geht das Borsigwerk mit 2500 Beschäftigen in Betrieb. Produziert werden neben Lokomotiven auch Pumpen, Dampfmaschinen, Kältemaschinen und Kessel für die Industrie. Zwölf Jahre später arbeiteten bereits 4500 Mitarbeiter bei Borsig. Neue Wohnungen für die Mitarbeiter wurden im heutigen Borsigwalde gebaut. 1924 entstand auf dem Werksgelände das erste Hochhaus Berlins: der Borsigturm. In ihm waren Büros untergebracht.
Ausstellung 700 Jahre Tegel in den Borsighallen
Nach der Wiedervereinigung 1990 zogen Industriebetriebe zunehmend ins Berliner Umland. Auf dem Borsiggelände entsteht ein neues Einkaufzentrum, die „Hallen am Borsigturm“, mit mehr als 120 Geschäften sowie einem Kino und Fitnesscenter. Bis Ende des Jahres ist dort die Ausstellung „700 Jahre Tegel“ zu sehen.
Papageien-Taucher-Infos
Heimatmuseum Reinickendorf: Alt-Hermsdorf 35, 13467 Berlin; Telefon: 902946460; Öffnungszeiten: Mo-Fr und So 9-17 Uhr; Internet: museum-reinickendorf.de; die Ausstellung „Stadt.Wald.See – Tegel 700 Jahre später“ ist bis zum 18. September 2022 zu sehen
Hallen am Borsigturm: Am Borsigturm 2, 13507 Berlin, Öffnungszeiten: Mo-Sa von 10-20 Uhr
weitere Information zum Jubiläum unter: 700jahretegel.de oder unter tegelportal.de
Anfahrt
U-Bahnlinie 6 bis Alt-Tegel
A111 bis Ausfahrt Waidmannsluster Damm
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